Part. 03
Dritte Scene.
(Der König tritt auf.)
König. Ich habe Befehl gegeben, ihn zu mir führen, und den Leichnam aufsuchen zu lassen; wie gefährlich es ist, diesen Menschen so frey herumgehen zu lassen! Und doch dürfen wir ihn nicht nach der Strenge des Gesezes behandeln; der Pöbel, der seine Neigungen nicht nach seiner Vernunft, sondern nach seinen Augen abmißt; der Pöbel, der ihn liebt, würde in seiner Bestraffung, nicht ihr Verhältniß gegen sein Verbrechen, sondern nur die Härte der Straffe sehen. Glüklicher Weise fügt es sich, daß dieser Vorfall zu seiner plözlichen Verschikung einen Vorwand giebt. Gegen verzweifelt gewordene Schäden muß man verzweifelte Mittel gebrauchen oder gar keine. (Rosenkranz tritt auf.) Was giebts? Was ist vorgefallen?
Rosenkranz.
Gnädigster Herr, wir können nicht von ihm heraus bringen, wo der
Leichnam hingekommen ist.
König.
Wo ist dann er?
Rosenkranz.
Draussen, Gnädigster Herr, mit einer Wache, euern Befehl erwartend.
König.
Führt ihn herein.
Rosenkranz.
He! Güldenstern, fährt den Prinzen herein. (Hamlet und
Güldenstern treten auf.)
König.
Nun, Hamlet, wo ist Polonius?
Hamlet.
Beym Essen.
König.
Beym Essen? wo dann?
Hamlet.
Nicht wo (er) ißt, sondern wo er gegessen wird; eine gewisse
Versammlung von politischen Würmern ist wirklich an ihm. Wo es
aufs Schmausen ankommt, ist in der Welt nichts über einen Wurm.
Wir mästen alle Creaturen damit sie uns mästen sollen, und für wen
mästen wir uns als für Maden? Euer fetter König, und euer magrer
Bettler sind nur verschiedne Gerichte; zwey Schüsseln auf eine
Tafel; das ist das Ende vom Liede.
König.
O weh! o weh!
Hamlet.
Ein Mensch, kan mit dem Wurm der einen König gegessen hat, einen
Fisch angeln, und den Fisch essen, der diesen Wurm gegessen hat.
König.
Was willst du damit sagen?
Hamlet. Nichts, als daß ich euch zeigen will, wie es mit einem König so weit kommen kan, daß er eine Reise durch die Gedärme eines Bettlers machen muß.
König.
Wo ist Polonius?
Hamlet. Im Himmel, schikt nur hin, und laßt nach ihm fragen. Wenn ihn euer Abgesandter dort nicht findt, so sucht ihn an dem andern Orte selbst. Aber, im Ernst zu reden, wenn ihr ihn binnen diesem Monat nicht findet, so werdet ihr ihn riechen, wenn ihr die Treppe in die Galerie hinauf geht.
König.
Geht, sucht ihn dort.
Hamlet.
Er wird euch gewiß nicht davon lauffen.
König. Hamlet, diese deine That macht zu deiner eignen Sicherheit (für welche wir eben so sehr besorgt sind, als höchlich wir das was du gethan hast, mißbilligen) nothwendig, daß du in feuriger Eile nach England abgehest. Schike dich also dazu an; das Schiff liegt fertig, der Wind ist günstig, deine Gefährten warten, und alles kehrt sich schon nach England hin.
Hamlet.
Nach England?
König.
Ja, Hamlet.
Hamlet.
Gut.
König.
So ist es, wenn du unsre Absichten kennnest.
Hamlet.
Ich sehe einen Cherub, der sie sieht; aber kommt, nach England!
Lebet wohl, liebe Mutter.
König.
Dein liebender Vater, Hamlet.
Hamlet.
Meine Mutter; Vater und Mutter ist Mann und Weib; Mann und Weib ist
Ein Fleisch, und also seyd ihr meine Mutter—Kommt nach England!
(Er geht ab.)
König. Folgt ihm auf dem Fusse; lokt ihn mit guten Worten an Bord; keinen Aufschub! Ich will ihn noch in dieser Nacht fort haben. Hinweg, es ist alles schon fertig und gesegelt, was sonst zur Sache gehört; ich bitte euch, macht hurtig—
(Rosenkranz und Güldenstern gehen ab.)
Und, England, wenn du meine Freundschaft werth hältst, wie du in Ansehung meiner Macht thun solltest, da die Narben noch so rauh und roth aussehen, die das dänische Schwerdt dir gegraben hat: So magst du dich hüten, unsern Auftrag, der nichts geringere als den unfehlbaren Tod Hamlets zum Gegenstand hat, kaltsinnig auszuführen. Thu es England; Denn er raßt in meinem Blut wie ein zehrendes Fieber, und du must mich curieren. Bis ich weiß daß es geschehen ist, werde ich, so groß mein Glüks-Stand ist, keines frohen Augenbliks geniessen.
(Er geht ab.)
Vierte Scene.
(Ein Lager an den Grenzen von Dännemark.)
(Fortinbras zieht mit einem Kriegs-Heer auf.)
Fortinbras. Geh Hauptmann, vermelde dem dänischen Könige meinen Gruß; sag ihm, daß seiner Bewilligung gemäß, Fortinbras um den freyen Durchzug durch sein Reich ansuche; und sag ihm, wofern seine Majestät uns zu sehen verlange, so würden wir ihm persönlich unsre Aufwartung machen.
Hauptmann.
Ich werde es ausrichten, Gnädiger Herr.
Fortinbras.
Marschiert weiter—
(Fortinbras geht mit der Armee wieder ab.)
(Hamlet, Rosenkranz und Güldenstern treten auf.)
Hamlet.
Mein guter Herr, wessen Völker sind das?
Hauptmann.
Sie sind aus Norwegen, mein Herr.
Hamlet.
Was ist ihr Vorhaben, mein Herr, wenn ich bitten darf?
Hauptmann.
Gegen einen Theil von Pohlen.
Hamlet.
Wer commandiert sie, mein Herr?
Hauptmann.
Fortinbras, des alten Norwegen Neffe.
Hamlet.
Gilt es dem ganzen Pohlen, oder ist die Frage nur von einem
District an den Grenzen?
Hauptmann. Wenn ich euch die runde Wahrheit sagen soll, so gehen wir um einen kleinen Flek Landes einzunehmen, wovon der Name das einträglichste ist—wenn er fünf Ducaten einträgt—Fünf? Ich möcht' es nicht darum in Pacht nehmen, auch würde es weder den Norwegen noch den Pohlen mehr abwerfen, wenn es versteigert werden sollte.
Hamlet. Wenn das ist, so wird sich der Polak wenig bekümmern, es euch streitig zu machen.
Hauptmann.
Allerdings; er hat es schon mit einer starken Mannschaft besezt.
Hamlet. Zweytausend Seelen und zwanzigtausend Ducaten werden nicht zureichend seyn, diesen Streit um einen Stroh-Halm auszumachen. Das ist das Apostem von übermässiger Grösse und Ruhe, das inwendig aufbricht, ohne von aussen eine Ursache zu zeigen, warum der Mann sterben muß. Ich danke euch, mein Herr, für eure Nachrichten.
Hauptmann.
Gott behüte euch, mein Herr.
Rosenkranz.
Gefällt's euch weiter zu gehen, Gnädiger Herr?
Hamlet.
Ich will gleich wieder bey euch seyn; geht nur ein wenig voraus.
(Sie gehen ab.)
Hamlet (allein.) Müssen nicht alle Gelegenheiten gegen mich auftreten, und meine edle Saumseligkeit beschämen? Was ist ein Mann, wenn alles was er mit seiner Zeit gewinnt, Essen und Schlaffen ist? Ein Thier, nichts bessers. O gewiß, Er, der uns mit einer Denkungs-Kraft erschuf, die in einem so weiten Umkreis zurük und vor sich sieht, gab uns dieses Vermögen, diese Gott-ähnliche Vernunft nicht, sie ungebraucht rosten zu lassen. Wie dann? Ist es thierische Unachtsamkeit, oder sind es Bedenklichkeiten; ist es eine zu genaue Erwegung des Ausgangs, (ein Gedanke, der, wenn er geviertheilet wird, nur einen Theil Weisheit und drey Viertel von einer feigen Memme in sich hat:) was die Ursache ist daß ich noch lebe, um von diesen Dingen als von solchen zu reden, die erst noch geschehen sollen? Da ich doch Ursache, Willen, Vermögen und Mittel habe, sie auszuführen—Was für ein Beyspiel! Ein so zahlreiches Heer, von einem zarten jungen Prinzen angeführt, dessen Geist, von göttlicher Ruhm-Begierde geschwellt, einem unsichtbaren Ausgang Troz bietet, und alles was sterblich und ungewiß ist, allem was Zufall, Gefahr und Tod vermögen, aussezt, und das um eine Eyer-Schaale—Das ist nicht ein grosses Herz, das nur durch grosse Gegenstände in Bewegung gesezt werden kan; auf eine edle Art die Gelegenheit zu Händeln in einem Stroh-Halm finden, wenn es die Ehre fodert—Das nenn' ich groß. Was steh' ich dann, ich, der einen ermordeten Vater, eine entehrte Mutter habe, (Betrachtungen, meine Vernunft und mein Blut zugleich aufzureizen!) was steh ich, und laß alles schlaffen? Indeß ich, zu meiner Schande, zusehe, wie der Tod über zwanzigtausend Männern herabhängt, die um einer Grille, um eines vermeynten Ehren-Punkts willen, so ruhig in ihr Grab wie in ihr Bette gehen; für ein Stükchen Boden fechten, das nicht weit genug zu einem Grab für die Erschlagnen wäre. O meine Seele! So seyen dann, von diesem Augenblik an, deine Gedanken blutig, oder höre auf zu denken!
(Geht ab.)
Fünfte Scene.
(Verwandelt sich in den Palast.)
(Die Königin, Horatio, und ein Hof-Bedienter.)
Königin.
Ich will sie nicht sprechen.
Hofbedienter
Sie ist ausser sich, in der That, nicht recht bey sich selbst; ihr
Zustand verdient Mitleiden.
Königin.
Was will sie dann?
Hofbedienter Sie spricht immer von ihrem Vater; sagt, sie höre, es gehe alles bunt über Ek in der Welt; ruft ach und oh, schlägt sich auf die Brust; stößt einen Stroh-Halm unwillig vor sich her; sagt Dinge, die nur einen halben Sinn haben—die an sich nichts sind, aber dem Hörer Anlaß zu Schlüssen geben, und mit den Winken, dem Kopf- Schütteln und andern Gebehrden, die sie dazu macht, zwar ihre wahre Meynung nicht deutlich machen, aber gerade so viel zu verstehen geben, daß man sie mißverstehen kan.
Horatio. Es wäre gut, wenn man mit ihr redete, denn sie könnte in übelgesinnten Gemüthern seltsame Muthmassungen erweken. Laßt sie herein kommen—
Königin (vor sich.) Meiner kranken Seele scheint jeder Kinder-Tand das Vorspiel irgend einer tragischen Begebenheit—So ist die Natur der Sünde; so verräth sie sich selbst durch ihre immerwährende Furcht verrathen zu werden. (Ophelia tritt auf.)
Ophelia.
Wo ist die schöne Majestät von Dännemark?
Königin.
Was macht ihr, Ophelia?
Ophelia (singend.)
Woran erkenn ich deinen Freund, wenn ich ihn finden thu?
An seinem Muschel-Hut und Stab und seinem hölzern Schuh.
Königin.
Ach! das arme Mädchen! was willt du mit diesem Liede?
Ophelia.
Sagt ihr das? Nein, ich bitte euch, hört zu.
(singend.)
(Er ist todt, Fräulein, er ist todt und dahin,
Ein grüner Wasen dekt sein Haupt, und seinen Leib ein Stein.)
(Der König tritt auf.)
Königin.
Aber meine liebe Ophelia—
Ophelia.
Ich bitte euch, horcht auf—
(Weiß ist dein Hemd, wie frischer Schnee.)
Königin.
O weh! Seht hieher, mein Herr.
Ophelia. Mit Blumen rings umstekt;
Sie gehn mit ihm ins Grab, benezt
Mit treuer Liebe Thau.
König.
Wie steht's um euch, junges Fräulein?
Ophelia.
Wohl, Gott sey bey euch! Die Leute sagen, die Eule sey vorher eine
Bekers-Tochter gewesen. Herr Gott! wir wissen was wir sind, aber
wir wissen nicht, was wir werden können. Gott segne euch das
Mittag-Essen!
König.
Traurigkeit über ihren Vater—
Ophelia. Ich bitte euch, nichts mehr von dieser Materie; wenn sie euch fragen, was es bedeuten sollte, so sagt ihnen das:
(Auf Morgen ist Sant Valentins Tag, und früh vor Sonnenschein
Ich, Mädchen, komm ans Fenster zu dir, und will dein Valentin seyn.
Da stuhnd er auf, und zog sich an, und ließ sie in sein Haus;
Sie gieng als Mädchen ein zu ihm, doch nicht als Mädchen aus.)
König.
Holdselige Ophelia!
Ophelia.
In der That, und ohne einen Eid, das soll das lezte seyn:
Bey Kilian und Sanct Charitas,
Das garstige Geschlecht!
Sie thun's sobald der Anlaß kommt;
Beym Hahn, es ist nicht recht.
Sie sprach: Bevor ihr mich ertappt,
Verspracht ihr mir die Eh;
Bey jener Sonn', ich hätt's gethan,
Was gabst du dich umsonst?
König.
Wie lang ist sie schon in diesem Zustande?
Ophelia. Ich hoffe, alles soll gut gehen. Wir müssen Geduld haben; und doch kan ich nicht anders als weinen, wenn ich denke, daß sie ihn in den kalten Boden hineinlegen sollen; mein Bruder soll es erfahren, und hiemit dank' ich euch für euern guten Rath. Kommt, wo ist meine Kutsche?—Gute Nacht, meine Damen; gute Nacht, schöne Damen; gute Nacht, gute Nacht.
(Sie geht ab.)
König (zu Horatio.)
Folgt ihr, und laßt genau auf sie Acht geben, ich bitte euch—
(Horatio geht ab.)
Das ist der Gift eines tiefen Grams, eine Folge von ihres Vaters Tod. O Gertrude, Gertrude, wenn Unglük kommt, so kommt es nicht einzeln, wie Kundschafter, sondern Schaaren-weis. Erst der gewaltsame Tod ihres Vaters—Dann die Entfernung euers Sohns, die er sich durch jene Mordthat gerechtest zugezogen—Das Volk von ungesunden Muthmassungen über den Tod des guten Polonius, die von einem Ohr ins andre geflüstert werden, aufgebracht und zur Empörung bereit—Es war unvorsichtig von uns gehandelt, daß wir ihn heimlich bestatten liessen—Die arme Ophelia ihres schönen Verstandes beraubt—und was noch das schlimmste ist, so ist ihr Bruder in geheim aus Frankreich zurükgekommen, hält sich verborgen, zieht Erkundigung ein, und wird Ohrenbläser genug finden, die ihn mit giftigen Reden über die Ursache von seines Vaters Tod ansteken werden—O meine liebste Gertrude, das ist mehr als nöthig ist, mich das Schlimmste besorgen zu machen.
(Man hört ein Getöse hinter der Scene.)
Königin.
Himmel, was für ein Getöse ist das?
Sechste Scene.
(Ein Hof-Bedienter zu den Vorigen.)
König. Wo sind meine Schweizer? Laßt sie die Thüre bewachen—Was willst du?
Hofbedienter Rettet euch, Gnädigster Herr. Der über seine Ufer schwellende Ocean frißt nicht mit reissenderm Ungestüm die Furten und Sandbänke weg, als der junge Laertes, an der Spize eines aufrührischen Hauffens eure Wachen zu Boden wirft; das Lumpenvolk nennt ihn Lord, und nicht anders als ob die Welt erst izt anfienge, und Geseze, Gebrauch und alles was die Bande der Gesellschaft befestiget, auf einmal vergessen wären, ruffen sie: Machen wir den Laertes zu unserm König! Kappen, Hände und Zungen geben ihren Beyfall bis in die Wolken; alles schreyt: "Laertes soll unser König seyn, Laertes König."
Königin. (Man hört das Getümmel näher)
Wie sie schreyen! Mit welcher Wuth von Freude! O, das sind nur
Rechen-Pfenninge, ihr falschen Dänischen Hunde—
(Laertes tritt auf, mit einer Partey vor der Thüre.)
König.
Die Thüren sind erbrochen.
Laertes.
Wo ist dieser König?—Ihr Herren! Bleibt ihr alle draussen stehen.
Alle.
Nein, wir wollen auch hinein.
Laertes.
Ich bitte euch, laßt mich gewähren.
Alle.
Wir wollen, wir wollen.
(Sie gehen ab.)
Laertes. Ich danke euch; bewachet die Thüre. O du schändlicher König, schaffe mir meinen Vater her.
Königin.
Ruhiger, guter Laertes.
Laertes. Der Tropfe Bluts, der ruhig in mir ist, ruft mich zum Bastart aus; nennt meinen Vater einen Hahnreyh; und brennt die Hure hier, hier mitten zwischen die keusche und unbeflekte Augbraunen meiner ehrlichen Mutter.
König. Was ist die Ursache, Laertes, daß deine Empörung sich dieses Riesenmässige Ansehen giebt? Laßt ihn gehen, Gertrude; besorget nichts für eure Person; es ist etwas so Göttliches um einen König hergezäunt, daß Verrätherey zu dem was sie gerne wollte, durch die Vergitterung nur hineinguken kan; ohne die Kraft zu haben ihren Willen ins Werk zu sezen. Sagt mir, Laertes, warum seyd ihr so aufgebracht? Laßt ihn gehen, Gertrude—Redet, Mann!
Laertes.
Wo ist mein Vater?
König.
Todt ist er.
Königin.
Aber nicht durch seine Schuld.
König.
Laßt ihn fragen, bis er genug hat.
Laertes. Warum ist er todt? Wie gieng es zu, daß er todt ist? Ich werde mich nicht durch Ausflüchte abweisen lassen! Zur Hölle, Lehens- Pflicht! Zum schwärzesten Teufel, du Eyd, den ich schwur! Gewissen und Religion selbst in den tiefsten Brunnen! Ich troze der Verdammniß; auf dem Punkt wo ich stehe, sind beyde Welten nichts in meinen Augen; laß kommen was kommt; ich will Rache haben, Rache für meinen Vater, volle überfliessende Rache!
König.
Wer soll euch denn aufhalten?
Laertes. Nicht die ganze Welt; und was mein Vermögen betrift, so will ich so damit haushalten, daß ich mit wenigem weit kommen will.
König. Mein lieber Laertes, wenn ihr von dem Schiksal euers Vaters gewisse Nachricht einziehen wollt, ist es bey euch beschlossen, daß ihr beydes Freund und Feind, ohne Unterschied, eurer Rache aufopfern wollt?
Laertes.
Niemand als seine Feinde.
König.
Wollt ihr wissen wer sie sind?
Laertes. Seinen Freunden will ich mit ofnen Armen entgegen eilen, und sie gleich dem Pelican mit meinem eignen Blut erhalten.
König. Nun, das heißt wie ein gutes Kind und wie ein Edelmann gesprochen. Daß ich an euers Vaters Tod unschuldig bin, und daß ich aufs empfindlichste dadurch betrübt worden, das soll euerm Verstand so klar werden, als der Tag euerm Auge ist.
(Man hört hinter der Scene ein Geschrey: Laßt sie hinein.)
Laertes.
Nun, was giebt's, was für ein Lerm ist das?
Siebende Scene. (Ophelia, auf eine phantastische Art mit Stroh und Blumen geschmükt, tritt auf.)
Laertes. O Hize, trokne mein Gehirn auf! Thränen, siebenmal gesalzen, brennet die Empfindung und Sehens-Kraft meiner Augen aus! Beym Himmel, diese Verfinsterung deiner Vernunft soll mir so vollwichtig bezahlt werden, bis die Wagschale an den Balken stößt—O Rose des Mayen! Holdes Mädchen, liebe Schwester, angenehmste Ophelia!— Himmel! ists möglich daß der Verstand eines jungen Mädchens so sterblich seyn soll, als das Leben eines alten Mannes? Die Natur ist in Liebe verfallen, und sendet dem geliebten Gegenstand das Kostbarste was sie hat zum Andenken nach.
Ophelia (singend.)
Sie senkten ihn in kalten Grund hinab,
Und manche Thräne blieb auf seinem Grab.
Fahr wohl, mein Täubchen!
Laertes. Hättest du deinen Verstand, und strengtest ihn an, mich zur Rache zu bereden, er könnte nicht halb so viel rühren—
Ophelia. Ihr müßt singen—Hinab, hinab—Ihr wißt ja das Lied?—Es war der ungetreue Hausmeister, der seines Herrn Tochter entführte—Hier ist Rosmarin, es ist zum Angedenken; ich bitte dich, Liebe, denk' an mich; und hier sind Vergiß nicht mein—Hier ist Fenchel für euch, und Agley—Hier ist Raute für euch,
(sie theilt im Reden ihre Blumen aus.)
und hier ist welche für mich. Wir könnten sie Gnaden-Kraut oder Sonntags-Kraut nennen; ihr dürft eure Raute wol mit einigem Unterschied tragen. Hier ist eine Maaß-Liebe; ich wollte euch gern einige Veylchen geben, aber sie verwelkten alle, da mein Vater starb: Sie sagen, er hab' ein schönes Ende genommen:
(singend:)
(Denn der Hanserl ist doch mein einziges Leben.)
Laertes.
Wer könnte bey einem solchen Anblik geduldig bleiben!
Ophelia. Und kommt er dann nicht wieder zurük?
Und kommt er dann nicht wieder zurük?
Nein, nein, er ist todt, geh in dein Tod-Bett!
Er kommt nicht wieder zurük.
Sein Bart war so weiß als Schnee
Ganz Silber-farb sein Haupt;
Er ist weg, er ist weg, und wir seufzen umsonst;
Friede sey mit seiner Seele!
Und mit allen Christen-Seelen—Gott behüte euch.
(Sie geht ab.)
Laertes.
Seht ihr das, ihr Götter?
König. Laertes, laßt mich euern Schmerz theilen, oder ihr versagt mir mein Recht: Geht wenn ihr zweifelt, leset eure verständigsten Freunde aus, sie sollen Richter zwischen mir und euch seyn: Finden sie daß wir auf irgend eine Art, geradezu oder verdekter Weise, in diese Sache eingeflochten sind—so soll unser Königreich, unsre Krone, unser Leben, und alles was wir unser nennen, euch zur Genugthüung verfallen seyn. Ist es aber nicht, so leihet uns eure Geduld, und wir wollen gemeinschaftlich mit einander arbeiten, eure Rache zu befriedigen.
Laertes. Laßt es so seyn. Die Art seines Todes, seine heimliche Bestattung, ohne Ehren-Zeichen, ohne einiges Gepränge, das seinem Stand gebührt hatte, alle Umstände ruffen so laut, als ob sie von der Erde bis in Himmel gehört werden wollten, daß ich sie in Untersuchung ziehen solle.
König.
Das thut: und wo ihr die Beleidigung findet, dahin lasset die
Straffe fallen. Ich bitte euch, folget mir.
(Sie gehen ab.)
Achte Scene.
(Horatio mit einem Bedienten tritt auf.)
Horatio.
Wer sind diese Leute, die mit mir sprechen wollen?
Bedienter.
Matrosen, mein Herr; sie sagen, sie haben Briefe für euch.
Horatio.
Laß sie hereinkommen—Ich kan nicht begreiffen, aus welchem Theil
der Welt ich Briefe bekommen sollte, wenn sie nicht vom Prinzen
Hamlet sind. (Einige Matrosen treten auf.)
Matrosen.
Gott helfe euch, Herr.
Horatio.
Dir auch.
Matrosen.
Das wird er auch, wenn er will, Herr—Hier ist ein Brief an euch,
Herr—wenn ihr euch Horatio nennt, wie man mir gesagt hat; er kommt
von dem Abgesandten, der nach England geschikt wurde.
Horatio (überließt den Brief.) Horatio, wenn du dieses überlesen haben wirst, so verschaffe diesen Leuten Gelegenheit vor den König zu kommen; sie haben Briefe an ihn. Eh wir noch zween Tage auf dem Meere waren, verfolgte uns ein See- Räuber von sehr stattlichem Ansehen. Da wir uns von ihm übersegelt sahen, entschlossen wir uns zur Gegenwehr, und währendem Handgemeng sprang ich zu ihnen an Bord—Augenbliklich liessen sie unser Schiff fahren, und so blieb ich ihr Gefangner. Sie haben mir begegnet, wie Diebe die zu leben wissen; das macht, sie wußten warum, und sie sollen mir's nicht umsonst gethan haben. Mache, daß der König seinen Brief überkommt, und suche mich dann so eilfertig auf, als ob du vor dem Tode lieffest. Ich habe dir Worte ins Ohr zu sagen, die dich taub machen werden; und doch sind sie viel zu leicht für ihren Inhalt. Diese guten Bursche werden dich zu mir bringen. Rosenkranz und Güldenstern sezen ihren Lauf nach England fort. Ich habe dir viel von ihnen zu erzählen. Lebe wohl. "Dein Hamlet." Kommt, ich will für die Bestellung eurer Briefe sorgen; und desto eilfertiger, damit ihr mich ohne Verzug zu demjenigen führen könnet, der euch geschikt hat.
(Sie gehen ab.)
Neunte Scene.
(Der König und Laertes treten auf.)
König. Nunmehr muß dann euer Gewissen selbst meine Freysprechung sigeln, und ihr müsset überzeugt seyn, daß ich euer Freund bin, da ihr gesehen habt, daß eben derjenige, von dessen Hand euer edler Vater fiel, mir selbst nach dem Leben getrachtet hat.
Laertes. Die Beweise reden. Aber erlaubet mir zu fragen, warum ihr gegen Übelthaten von so ungeheurer Beschaffenheit nicht gerichtlich procedirt habet; da doch eure eigne Sicherheit, Klugheit, und alles in der Welt euch rathen mußte, den Thäter zur Rechenschaft zu ziehen?
König. Zwoo besondre Ursachen haben mich davon abgehalten, die in euren Augen vielleicht weniger Stärke haben als in den meinigen. Die Königin seine Mutter lebt, so zu sagen, fast von seinen Bliken, und ich selbst (es mag nun eine Tugend oder eine Schwachheit seyn:) liebe sie so zärtlich, daß ich ihren Wünschen nichts versagen kan. Der andre Grund ist die allgemeine Zuneigung, welche das Volk zu ihm trägt, und die so weit geht, daß sie seine Fehler selbst übergülden und seine Verbrechen zu Tugenden machen würden: so daß meine Pfeile, zu schwach befiedert für einen so starken Wind, auf mich selbst zurük gefallen, und nicht dahin gekommen wären, wohin ich gezielt hätte.
Laertes. Und so muß ich einen edlen Vater verlohren haben, und eine Schwester zu Grund gerichtet sehen, deren Vortreflichkeit unser ganzes Zeitalter herausfoderte, ihres gleichen zu zeigen—Aber meine Rache soll nicht ausbleiben.
König. Laßt euch das nichts von euerm Schlafe nehmen. Ihr müßt mich nicht für einen so phlegmatischen milchlebrichten Mann halten, der sich den Bart mit Gewalt ausrauffen läßt, und es für Kurzweil aufnimmt. Ihr sollt bald mehr hören. Ich liebte euern Vater, und liebe mich selbst, und dieses, hoff ich, wird euch nicht zweifeln lassen—Was giebts? Was Neues? (Ein Bote.)
Bote.
Briefe, Gnädigster Herr, vom Prinzen Hamlet. Diesen an Eu.
Majestät, und diesen, an die Königin.
König.
Von Hamlet? Wer brachte sie?
Bote.
Matrosen, sagt man; ich sah sie nicht; die Briefe wurden mir von
Claudio gegeben, der sie von ihnen empfieng.
König.
Laertes, ihr sollt sie hören—Verlaßt uns, ihr—
(Der Bote geht ab.)
"Durchlauchtiger und Großmächtiger! Dieses soll euch benachrichtigen, daß ich nakend in euer Königreich ausgesezt worden bin. Auf Morgen werd' ich mir die Erlaubniß ausbitten, eure Königliche Augen zu sehen; wo ich dann (in Hoffnung Verzeihung deßwegen zu erhalten) erzählen werde, was die Gelegenheit zu dieser schleunigen Wiederkunft gegeben hat." Was soll dieses bedeuten? Sind die andern auch zurükgekommen? Ist es ein Kunstgriff—oder ist gar nichts an der Sache?
Laertes.
Kennt ihr die Hand?
König.
Es ist Hamlets Handschrift—Nakend, und hier sagt er in einem
Postscript, allein—Könnt ihr mir sagen, was ich davon denken soll?
Laertes. Ich begreiffe nichts davon, Gnädigster Herr; aber laßt ihn kommen; mein Herz lebt wieder auf von dem Gedanken, daß ich es erleben werde, ihm in seine Zähne zu sagen, das thatest du—
König. Wenn es so ist, Laertes—ob ich gleich eben so wenig begreiffe daß es ist, als wie es anders seyn kan—wollt ihr euch von mir weisen lassen?
Laertes.
Ja, nur nicht daß ich ruhig bleiben soll.
König. Was ich vorhabe, wird dir zu deiner eignen Gemüths-Ruhe verhelfen; Wenn er nun wieder gekommen ist, weil ihm die Reise nicht anständig war, und er nicht gesinnt ist, sie von neuem zu unternehmen; so habe ich so eben etwas ausgedacht, das ihn unfehlbar zu seinem Fall befördern soll, ohne daß sein Tod den mindesten Vorwurf nach sich ziehen, noch seine Mutter selbst den Kunstgriff merken, sondern ihn dem blossen Zufall beymessen soll.
Laertes. Ich will mich weisen lassen, und desto lieber, wenn ihr es so einrichten könnet, daß ich das Werkzeug bin.
König. Das ist auch meine Meynung: Es ist seitdem ihr auf Reisen seyd, und zwar in Hamlets Gegenwart, oft von einer gewissen Geschiklichkeit gesprochen worden, worinn ihr ausserordentlich groß seyn sollt: Alle eure übrigen Gaben zusammengenommen, erwekten nicht so viel Eifersucht in ihm als diese einzige, die in meinen Augen die geringste unter allen ist.
Laertes.
Was kan das seyn, Gnädigster Herr?
König. Eine blosse Feder auf dem Hute der Jugend, aber doch nöthig; denn die Jugend hat in der leichten und nachlässigen Liverey die sie trägt, nicht weniger Anstand als das gesezte Alter in seinen Pelzen und langen Ceremonien-Kleidern—Es sind ungefehr zween Monate, daß ein junger Cavalier aus der Normandie hier war; die Normänner werden für gute Reiter gehalten; wie ich selbst gesehen habe, da ich ehmals gegen die Franzosen diente; aber bey diesem jungen Menschen dachte man, daß es nicht natürlich zugehe; er schien mit seinem Pferd zusammengewachsen, und wie ein Centaur, halb Mensch und halb Pferd zu seyn, so bewundernswürdig hatte er sich zum Meister desselben gemacht. Er übertraf alles, was man sich davon einbilden kan.
Laertes.
Es war ein Normann?
König.
Ein Normann.
Laertes.
So soll's mein Leben gelten, wenn es nicht Lamond war.
König.
Der war's.
Laertes. Ich kenne ihn wohl; er ist in der That der Ausbund und die Zierde der ganzen Nation.
König. Dieser erzehlte uns von euch, und legte euch eine so bewunderns- würdige Geschiklichkeit in der Vertheidigungs-Kunst, besonders mit dem Rappier, bey, daß er behauptete, es würde ein Wunder seyn, wenn sich jemand finden sollte, der es mit euch aufnehmen dürfte. Er schwur die besten Fechter seiner Nation hätten weder Behendigkeit, Auge noch Kunst, so bald sie es mit euch zu thun hätten—Mein Herr, diese Erzählung vergiftete den Hamlet mit solchem Neid, daß er den ganzen Tag nichts anders that als wünschen und beten, daß ihr bald zurük kommen möchtet, um mit ihm zu fechten. Nun aus diesem—
Laertes.
Was wollt ihr aus diesem machen, Gnädigster Herr?
König. Laertes, war euch euer Vater lieb? Oder seyd ihr nur ein Gemählde von einem Traurenden, ein Gesicht ohne Herz?
Laertes.
Warum diese Fragen?
König. Nicht als ob ich denke, ihr liebtet euern Vater nicht, sondern weil ich weiß, daß die Liebe, wie alles andre, der Gewalt der Zeit unterworfen ist, daß sie in ihrer Flamme selbst eine Art von Dacht oder Wike hat, wovon sie endlich geschwächt und verdunkelt wird, und kurz, daß sie, wenn sie zu ihrer Stärke angewachsen ist, an ihrer eignen Vollblütigkeit sterben muß. Was wir thun wollen, sollten wir sogleich thun, wann wir es wollen; denn dieses Wollen ist veränderlich, und hat so viele Abfälle und Hindernisse als es Zungen, Hände und Umstände giebt, welche uns, wenn die Gelegenheit einmal versäumt ist, die Ausführung vielleicht so schwer machen, daß wir auch den Willen verliehren, so vielen Schwierigkeiten troz zu bieten. Doch, um das Geschwür aufzustechen—Hamlet kommt zurük; was wäret ihr fähig zu unternehmen, um mehr durch Thaten als Worte zu zeigen, daß ihr euers Vaters Sohn seyd?
Laertes.
Ihm die Gurgel in der Kirche abzuschneiden.
König. In der That sollte kein Plaz einen Mörder schüzen, noch der Rache Grenzen sezen; aber mein guter Laertes, wollt ihr das thun? Schließt euch in euer Zimmer ein. Hamlet soll bey seiner Wiederkunft hören, daß ihr nach Hause gekommen seyd: Wir wollen ihm Leute zuschiken, welche ein so grosses Lob von eurer Geschiklichkeit im Fechten machen, und so viel und so lange davon reden sollen, biß er es auf eine Wette ankommen lassen wird. Da er selbst edelmüthig, zuversichtlich, und von allen Kunstgriffen fern ist, wird er nicht daran denken, die Rappiere genau zu besehen, so daß ihr leicht durch ein bißchen Taschenspielerey einen Degen ohne Knopf mit euerm Rappier verwechseln, und durch einen geschikten Stoß euern Vater rächen könnt.
Laertes. Ich will es thun, und zu diesem Gebrauch meinen Degen mit einem Saft beschmieren, den ich von einem Marktschreyer gekauft habe; der so tödtlich ist, daß wenn man ein Messer nur darein taucht, keine Salbe, und wenn sie aus den heilsamsten Kräutern die unter dem Mond sind, gezogen wäre, denjenigen vom Tod erretten kan, der nur damit gerizt wird; mit diesem Gift will ich die Spize meines Degens nezen, damit auch die leichteste Wunde, die ich ihm beybringe, Tod sey.
König. Wir wollen diese Sache besser überlegen; Zeit und Umstände müssen abgewogen werden; und auf den Fall, daß uns dieser Anschlag in der Ausführung mißlingen sollte, müssen wir einen andern zum Rükenhalter haben. Sachte—Laßt sehen—Es soll eine feyrliche Wette über eure Geschiklichkeit angestellt werden—Nun hab' ichs— wenn ihr euch unterm Kampf erhizt habt, und er zu trinken begehrt, will ich einen Becher für ihn bereit halten; wovon er nur schlürfen darf, um unsre Absicht zu erfüllen, wofern er euerm Rappier entgeht.
Zehnte Scene.
(Die Königin zu den Vorigen.)
König.
Was giebt's, meine liebste Königin?
Königin. Ein Unglük tritt dem andern auf die Fersen, so schnell folgen sie auf einander: Eure Schwester ist ertrunken, Laertes.
Laertes.
Ertrunken? Oh, wo?
Königin. Es ist eine gewisse Weide, am Abhang eines Wald-Stroms gewachsen, die ihr behaartes Laub in dem gläsernen Strom besieht. Hieher kam sie mit phantastischen Kränzen von Hahnen-Füssen, Nesseln, Gänse- Blümchen und diesen langen rothen Blumen, denen unsre ehrlichen Schäfer einen natürlichen Namen geben, unsre kalten Mädchens aber nennen sie Todten-Finger; wie sie nun an diesem Baum hinankletterte, um ihre Grasblumen-Kränze an die herabhängende Zweige zu hängen, glitschte der Boden mit ihr, und sie fiel mit ihren Kränzen in der Hand ins Wasser; ihre weitausgebreiteten Kleider hielten sie eine Zeit lang wie eine Wasser-Nymphe empor; und so lange das währte, sang sie abgebrochene Stüke aus alten Balladen, als eine die keine Empfindung ihres Unglüks hatte, oder als ob sie in diesem Element gebohren wäre; aber länger konnte es nicht seyn, als bis ihre Kleider so viel Wasser geschlukt hatten, daß sie durch ihre Schwere die arme Unglükliche von ihrem Schwanen-Gesang in einen nassen Tod hinabzogen.
Laertes.
O Gott! So ist sie ertrunken!
Königin.
Es ist allzuwahr.
Laertes.
—Lebet wohl, mein Gebieter—meine weibische Thränen erstiken eine
Rede von Feuer, welche eben auflodern wollte—
(Er geht ab.)
König. Kommt mit mir, Gertrude—Wie viel hatte ich zu thun, seine Wuth zu besänftigen! Nun besorg ich, dieser Umstand wird sie von neuem anflammen—Wir wollen ihm folgen.
(Sie gehen ab.)
Fünfter Aufzug.
Erste Scene.
(Ein Kirch-Hof.)
(Zween Todtengräber mit Grabscheitern und Spaten treten auf.)
1. Todtengräber. Kan sie denn in ein Christliches Begräbniß gelegt werden, wenn sie eigenmächtig ihre (Salvation) gesucht hat?
2. Todtengräber. Ich sage dir's ja, sie kan; mach also ihr Grab unverzüglich; die Obrigkeit hat es durch einen Commissarius und Geschworne untersuchen lassen, und gefunden, daß sie wie andre Christen begraben werden soll.
1. Todtengräber. Das kan nicht seyn, sie müßte sich denn zu ihrer Selbstvertheidigung ertränkt haben?
2. Todtengräber. So hat sich's eben befunden.
1. Todtengräber. Es muß (se offendendo) geschehen seyn, anders ist's nicht möglich. Denn da stekt der Knoten: Wenn ich mich selbst wissentlich ertränke, so zeigt das einen (Actum) an; ein (Actus) aber hat drey Zweige: Beginnen, thun und vollbringen; (ergel), ersäufte sie sich selbst wissentlich.
2. Todtengräber. Nein, hört mich nur an, Gevatter—
1. Todtengräber. Mit Erlaubniß; seht einmal, hier liegt das Wasser, gut; hier steht der Mann, gut: Wenn nun der Mann zu diesem Wasser geht und ertränkt sich, so muß er eben, woll' er oder woll' er nicht, dran glauben; gebt wol Acht auf das: Aber wenn das Wasser zu ihm kommt und ertränkt ihn, so ertränkt er sich nicht selbst; (ergel), hat der, der keine Schuld an seinem eignen Tode hat, sich das Leben nicht selbst abgekürzt.
2. Todtengräber. Aber sagt das Gesez das?
1. Todtengräber. Sapperment, ja wohl, sagt es: Das müssen ja die Geschwornen verstehen, die es untersucht haben—
2. Todtengräber.
Willt du wissen, wo der Hase im Pfeffer liegt? Wenn sie kein
Gnädiges Fräulein gewesen wäre, sie würde gewiß ihre Lebtage in
kein Christliches Grab gekommen seyn.
1. Todtengräber. Wie, du magst mir wol recht haben. Aber desto schlimmer, daß die vornehmen Leute in der Welt mehr Recht haben sollen, sich zu hängen oder zu ersäuffen als ihre Neben-Christen! Komm, meine Spate, her! es sind doch keine ältere Edelleute als Gärtner, und Todten-Gräber; sie haben ihre Profession von Adam her.
2. Todtengräber. War der ein Edelmann?
1. Todtengräber. Der erste, der jemals armirt gewesen ist.
2. Todtengräber. Wie so, das?
1. Todtengräber. Wie, bist du denn ein Heid? Verstehst du die Schrift nicht? Die Schrift sagt, Adam habe gegraben: Hätt' er graben können, wenn er keine Arme gehabt hätte? Ich will dir noch eine Frage vorlegen; wenn du mir die rechte Antwort darauf giebst, so bekenne—
2. Todtengräber. Was ist's dann?
1. Todtengräber. Wer ist der, der stärker baut als Maurer und Zimmermann?
2. Todtengräber.
Das ist der Galgen-Macher; denn dessen sein Gebäu überlebt tausend
Innhaber.
1. Todtengräber. Dein Einfall gefällt mir nicht übel, in der That; der Galgen schikt sich wol: Aber wie schikt er sich wol? Er schikt sich wol für diejenigen die Übels thun; nun thust du übel zu sagen, der Galgen sey stärker gebaut als die Kirche; (ergel), mag sich der Galgen wol für dich schiken. Zur Sache, komm.
2. Todtengräber. Wer stärker baue als Maurer und Zimmermann?
1. Todtengräber. Ja, wenn du mir das sagen kanst, so will ich dich gelten lassen.
2. Todtengräber. Beym Element, nun kan ich dir's sagen.
1. Todtengräber. Nun, so sage—
2. Todtengräber. Nein, Sakerlot, ich kan nicht. (Hamlet und Horatio treten in einiger Entfernung von den Todtengräbern auf.)
1. Todtengräber. Gieb's lieber auf, dein Esel wird doch nicht schneller gehen, du magst ihn schlagen wie du willt; und wenn dich einer einmal wieder fragt, so sage, der Todtengräber. Denn die Häuser, die er macht, dauren bis zum jüngsten Tag: Geh einmal zum rothen Roß, und hol mir ein Glas Brandtwein.
(Der 2te Todtengräber geht ab.)
(Der erste Todtengräber gräbt und singt ein Liedchen dazu.)
Hamlet.
Hat dieser Bursche kein Gefühl von seinem Geschäfte, daß er zum
Grabmachen singen kan?
Horatio.
Die Gewohnheit hat ihn so verhärtet, daß er bey einer solchen
Arbeit gutes Muths seyn kan.
Hamlet. (Indem der Todtengräber immer singend einen Schedel aufgräbt.)
Dieser Schedel hatte einst eine Zunge, und konnte singen—wie ihn der Schurke in den Boden hinein schlägt, als ob es Cains des ersten Mörders Kinnbaken wäre! und doch war der Schedel mit dem dieser Esel izt so übermüthig zu Werke geht, vielleicht der Hirnkasten eines Staatsmanns, eines von diesen Herren, die unserm Herrn Gott selbst einen Nebel vormachen möchten; nicht so?
Horatio.
Es ist möglich, Gnädiger Herr—
Hamlet. Oder eines Höflings, der sagen konnte: Guten Morgen, mein liebster Lord; wie befindet sich Euer Herrlichkeit? Es kan Milord der und der gewesen seyn, der Milord dessen seinem Pferd eine Lobrede halten konnte, wenn er's ihm gerne abgebettelt hätte; nicht so?
Horatio.
Ja, Gnädiger Herr.
Hamlet. Nicht anders; und nun ist Milady Wurm von allen ihren Anbetern verlassen, und muß sich von eines Todtengräbers Spate aus dem Boden herausschlagen lassen. Hier ist eine hübsche Revolution, wenn wir den Verstand hätten sie zu sehen—Hier ist ein andrer: Kan das nicht der Schedel eines Rechtsgelehrten gewesen seyn? Wo sind nun seine Quidditäten und Qualitäten? Seine (Casus?) Seine Tituls? Seine Ränke? Warum leidet er, daß ihn dieser grobe Geselle mit seiner kothigen Schaufel aus seiner Retirade herausklopfen darf, ohne eine Action gegen ihn anzustellen?—* Ich muß mit diesem Burschen reden. Wessen Grab ist das, Bursche?
{ed.-* Hamlet sezt im Original diese kühlen Betrachtungen noch länger fort, indem er sich vorstellt, daß es der Schädel eines reichen Landsässen gewesen sey; man hat es aber unmöglich gefunden, diese Stelle, deren gröster Nachdruk in etlichen Wortspielen besteht, zu übersezen; und man würde diese ganze Scene eben sogern ausgelassen haben, wenn man dem Leser nicht eine Idee von der berüchtigten Todtengräber-Scene hätte geben wollen.}
Todtengräber.
Meines, Herr—
(er fängt wieder an zu singen.)
Hamlet.
Ich denk' es ist dein, denn du lügst darinn.
Todtengräber.
Und ihr lügt daraus, Herr, und also ist es nicht euers—
(Hier folgen noch etliche elende Reden, wovon das sinnreiche in dem
Wortspiel mit lie, welches Liegen und Lügen bedeutet, liegt.)
Hamlet.
Ich frage, wie der Mann heißt, für den du das Grab machst?
Todtengräber.
Ich mach es für keinen Mann, Herr.
Hamlet.
Für was für eine Frau dann?
Todtengräber.
Auch für keine Frau.
Hamlet.
Wer soll dann darinn begraben werden?
Todtengräber.
Eine die in ihrem Leben ein Weibsbild war, aber, Gott tröst ihre
Seele! nun ist sie todt.
Hamlet. Was für ein determinierter Schurke das ist! In was für einer Sprache müssen wir mit ihm reden, daß er uns nicht mit Zweydeutigkeiten stumm mache? Bey Gott, Horatio, ich habe diese drey Jahre her beobachtet, daß die Welt so spizfündig worden ist, daß der Bauer seinen plumpen Wiz eben so hoch springen und so seltsame Gambaden machen läßt, als der wizigste von unsern Hofschranzen—Wie lange bist du schon ein Todtengräber?
Todtengräber. Unter allen Tagen im Jahr kam ich an dem Tag dazu, da unser verstorbner König Hamlet über den Fortinbras Meister wurde.
Hamlet.
Wie lang ist das?
Todtengräber. Könnt ihr das nicht sagen? Das kan ein jeder Narr sagen: Es war auf den nemlichen Tag, da der junge Hamlet auf die Welt kam, der närrisch wurde, und nach England geschikt worden ist.
Hamlet.
Was, zum Henker! und warum wurde er nach England geschikt?
Todtengräber. Warum? weil er närrisch worden ist; er soll dort seine fünf Sinnen wieder kriegen; oder wenn er sie nicht wieder kriegt, so hat es dort nicht viel zu bedeuten.
Hamlet.
Warum das?
Todtengräber. Man wird es nicht an ihm gewahr werden; denn dort sind die Leute eben so närrisch als er.
Hamlet.
Wie wurde er dann närrisch?
Todtengräber.
Auf eine gar seltsame Art, sagt man.
Hamlet.
Wie so, seltsam?
Todtengräber.
Sapperment, er wurde eben ein Narr, weil er seinen Verstand verlohr.
Hamlet.
Aus was für einem Grund?
Todtengräber. Wie, hier, in Dännemark. Ich bin hier Todtengräber gewesen, von meinen jungen Jahren an bis izt, diese dreissig Jahre.
Hamlet.
Wie lange kan wol ein Mensch in der Erde liegen, bis er verfault?
Todtengräber.
Wenn er nicht schon faul ist, eh er stirbt (wie wir denn heut zu
Tag manche Leichen haben, die kaum so lange halten, bis sie unterm
Boden sind) so kan er euch acht bis neun Jahre dauren; ein Loh-
Gerber dauert euch seine neun Jahre.
Hamlet.
Warum ein Loh-Gerber länger als andre Leute?
Todtengräber. Warum, Herr? weil seine Haut von seiner Profession so gegerbt ist, daß sie das Wasser länger aushält. Denn es ist nichts das einem todten Körper eher den Garaus macht als Wasser. Hier ist ein Schedel, der nun bereits drey und zwanzig Jahre im Boden liegt.
Hamlet.
Wessen war er?
Todtengräber. Es war ein vertrakter Bursche, dem er gehörte; wer denkt ihr daß es war?
Hamlet.
Ich weiß es nicht.
Todtengräber.
Daß die Pestilenz den Schurken! Er goß mir einmal eine Flasche mit
Rheinwein über den Kopf. Dieser nemliche Schedel, Herr, war Yoriks
Schedel, des Königlichen Hofnarrens.
Hamlet.
Dieser?
Todtengräber.
Dieser nemliche.
Hamlet. Ach der arme Yorik. Ich kannte ihn, Horatio, es war der kurzweiligste Kerl von der Welt; von einer unvergleichlichen Einbildungs-Kraft: Er hat mich viel hundertmal auf seinem Rüken getragen: Und nun, was für ein grausenhafter Anblik! Mein Magen kehrt sich davon um. Hier hiengen diese Lippen, die ich wer weiß wie oft küßte. Wo sind nun deine Scherze? Deine Sprünge? Deine Liedchen? Wo sind die schnakischen Einfälle, welche die Tafel mit brüllendem Gelächter zu erschüttern pflegten? Ist dir nicht ein einziger übrig geblieben, um über dein eignes Grinsen zu spotten? Nun geh mir einer in Mylady's Schlaf-Zimmer, und sag ihr; und wenn sie sich einen Daumen dik übermahle, so müß' es doch zulezt (dazu) mit ihr kommen—Ich bitte dich, Horatio, antworte mir nur auf Eine Frage—
Horatio.
Was ist es, Gnädiger Herr?
Hamlet.
Denkst du, Alexander habe auch so im Boden ausgesehen?
Horatio.
Eben so.
Hamlet.
Und so gerochen? Fy!
(Er riecht an dem Schedel.)
Horatio.
Ja, Gnädiger Herr.
Hamlet.
Zu was für einer unedeln Bestimmung können wir endlich herabsinken,
Horatio! Können wir nicht in unsrer Einbildung Alexanders edlem
Staube folgen, bis wir ihn an einem Ort finden, wo er ein Spund-
Loch stoppt?
Horatio.
Eine solche Betrachtung wäre gar zu spizfündig.
Hamlet. Nein, gar nicht, im geringsten nicht: Die Betrachtung ist ganz natürlich: Alexander starb, Alexander wurde begraben, Alexander wurde zu Staub; der Staub ist Erde; aus der Erde machen wir Laim; und konnte mit diesem Laim, worein er verwandelt wurde, nicht eine Bier-Tonne gestoppt werden? Und so kan der Welt-Bezwinger Cäsar eine Spalte in einer Mauer gegen den Wind gestoppt haben. Aber sachte! Sachte eine Weile—da kommt der König—
Zweyte Scene.
(Der König, die Königin, Laertes, und ein Sarg mit einem Trauer-
Gefolge von Hofleuten, Priestern, u.s.w.)
Hamlet. Die Königin—ein Gefolge von Hofleuten—Was ist das, was sie begleiten? und warum mit so wenig Ceremonien? Das zeigt, daß die Leiche, so sie begleiten von jemand ist, der gewaltthätige Hand an sich selbst gelegt hat—Es muß eine Person von Stande gewesen seyn— wir wollen uns ein wenig entfernt halten und acht geben.
Laertes.
Die übrigen Ceremonien?
Hamlet.
Das ist Laertes, ein sehr edler junger Mann: gieb acht—
Laertes.
Die übrigen Ceremonien?
Priester. Ihre Obsequien sind so weit ausgedehnt worden, als wir ermächtigst sind; ihr Tod war zweifelhaft; und hätte der Königliche Befehl die Ordnung nicht übermocht, so sollte sie in einem ungeweihten Boden bis zum Schall der lezten Trompete ihr Lager gehabt haben; statt mildherziger Fürbitten sollten Scherben, und Kieselsteine auf sie geworfen worden seyn; nun wird sie mit jungfräulichen Ehrenzeichen, unter Gesang und Gloken-Geläut bestattet.
Laertes.
Und ist das alles was gethan werden soll?
Priester. Es ist alles was gethan werden kan; es würde Entheiligung seyn, ihr ein (requiem) zu singen und ihr die lezte Ehre die nur Seelen die im Frieden abgeschieden sind, gebührt, zu erstatten.
Laertes. Legt sie in die Erde; und aus ihrem schönen und unbeflekten Fleisch mögen Violen hervorkeimen! Ich sage dir, hartherziger Priester, meine Schwester wird ein Engel des himmlischen Thrones seyn, wenn du heulend im Abgrund liegst.
Hamlet.
Wie? die schöne Ophelia?
Königin. Das lezte lebe wohl, angenehme Schöne! Ich hoffte, du solltest meines Hamlets Weib werden; ich dachte einst dein Braut-Bette zu deken, holdes Mädchen, nicht dein Grab mit Blumen zu bestreuen.
Laertes. O dreyfaches Weh falle zehnfältig dreymal über das verfluchte Haupt, dessen gottlose That dich deiner schönen Vernunft beraubte. Haltet noch ein, bis ich sie noch einmal in meine Arme geschlossen habe.
(Er springt in das Grab.)
Nun werft euern Staub über den Lebenden und Todten, bis ihr aus dieser Ebne ein Gebürge gemacht habt, das den alten Pelion und den Himmelberührenden Olimpus übergipfle.
Hamlet, (der sich zu erkennen giebt.)
Wer ist der, dessen Schmerz sich so emphatisch ausdrukt? Dessen
Trauer-Töne die irrenden Sterne beschwören und sie zwingen, von
Erstaunen gefesselt, stille zu stehn und zu horchen? Der bin ich,
Hamlet, der Dähne.
(Er springt in das Grab.)
Laertes.
Der Teufel hole deine Seele!
(Er ringt mit ihm.)
Hamlet. Du betest nicht schön. Ich bitte dich, deine Finger von meiner Gurgel weg!—Wenn ich gleich nicht splenetisch und jähzornig bin, so hab ich doch etwas gefährliches in mir, wovor du dich hüten magst, wenn du klug bist. Deine Hand zurük.
König.
Reißt sie von einander—
Königin.
Hamlet, Hamlet—
Horatio.
Mein gnädigster Prinz, halltet euch zurük—
(Die Umstehenden machen sie von einander loß.)
Hamlet.
Was, ich will über diese Materie mit ihm fechten, bis meine
Auglider nicht länger niken können.
Königin.
O mein Sohn! was für eine Materie?
Hamlet.
Ich liebte Ophelien; vierzigtausend Brüder könnten mit aller ihrer
Liebe zusammen genommen die Summe der meinigen nicht aufbringen.
Was willt du für sie thun?
König.
O er ist rasend, Laertes—
Königin.
Um Gottes willen, habt Geduld mit ihm.
Hamlet. Komm, zeig mir, was du thun willt. Willt du weinen? Willt du fechten? Willt du fasten? Dich selbst zerfezen? Willt du Wein- Essig trinken, ein Crocodil verschlingen? Ich will es thun—Kamst du nur hieher, zu weinen? Vor meinen Augen in ihr Grab zu springen? Laß dich lebendig mit ihr begraben; ich will es auch; und wenn du von Bergen schwazest, so laß sie Millionen Jaucharten auf uns werfen, bis die auf uns liegende Erde, den Ossa zu einem Maulwurfs-Hauffen macht! Wahrhaftig! Wenn du großsprechen willt, so kan ich das Maul so voll nehmen wie du.
Königin.
Er spricht in tollem Muth, und so wird der Paroxismus eine Weile
auf ihn würken; aber auf einmal wird, so geduldig als die weibliche
Daube, eh ihre goldbehaarten Jungen ausgekrochen sind, sein
Stillschweigen brütend sizen.
Hamlet. Hört ihr, Herr—was ist die Ursache, daß ihr mir so begegnet? Ich liebte euch allezeit: Aber es hat nichts zu sagen. Laßt den Hercules selbst thun was er kan, die Kaze muß mauen und der Hund seinen Lauf haben—
(Er geht ab.)
König.
Ich bitte euch, guter Horatio, habet acht auf ihn.
(Horatio geht ab.) (zu Laertes.)
Stärket eure Geduld durch unsre lezte Abrede. Wir wollen uns nicht länger säumen, die Hand an die Ausführung zu legen—Liebe Gertrude, gebet eurem Sohn einige Hüter zu—Dieses Grab soll ein würdiges Denkmal bekommen—Und nun wollen wir unsrer Ruhe eine Stunde schenken.
(Sie gehen ab.)
Dritte Scene.
(Verwandelt sich in eine Halle im Palast.)
(Hamlet und Horatio treten auf.)
(Hamlet erzehlt seinem Vertrauten,auf was Weise er den Inhalt der königlichen Commission, womitRosenkranz und Güldenstern beladen waren, entdekt und vereitelthabe. Da diese ganze Scene nur zur Benachrichtigung der Zuhörerdient, so wären zwey Worte hinlänglich gewesen, ihnen zu sagen wassie ohnehin leicht erraten könnten. Hamlet hatte Ursache einMißtrauen in die Absichten des Königs bey seiner Versendung nachEngland zu sezen. Er schlich sich also während daß die beydenGesandten schliefen, in ihre Cajute, fingerte ihr Pakett weg, zogsich damit in sein eigenes Zimmer zurük, erbrach das königlicheSigel und fand einen gemeßnen Befehl an den Englischen König,vermöge dessen dem Hamlet sobald er angelangt seyn würde, der Kopfabgeschlagen werden sollte—Er stekte dieses Papier zu sich, undsezte sich hin, eine andre Commission zu schreiben, worinn derKönig aufs ernstlichste beschwohren wurde, so lieb ihm dieFreundschaft Dännemarks (von welchem England damals abhängig war)sey, die Überbringer dieses Schreibens unverzüglich aus dem Wegeräumen zu lassen. Zu gutem Glüke hatte er seines Vater Signet inder Tasche; und zu noch grösserm Glük war es dem grossen dähnischenSigel vollkommen gleich; er faltete also dieses Schreiben eben sowie das erste, unterschrieb und sigelte es, und legte es sogeschikt an die Stelle des andern, daß Rosenkranz und Güldensterndie Verwechslung nicht gewahr wurden, und also bey ihrer Ankunft inEngland wie Bellerophon, ihr eigenes Todesurtheil überlieferten.Horatio findet hiebey bedenklich, daß dieser mißlungene Ausgang desKöniglichen Bubenstüks nicht lange verborgen bleiben könne. Hamletberuhigst sich hierüber daß doch die Zwischen- Zeit sein sey, undnicht mehr als ein Augenblik erfordert werde, dem Leben einesMenschen ein Ende zu machen. Indessen bedaurt er, daß er sichdurch den Affect habe hinreissen lassen, den Laertes zu beleidigen,und nimmt sich vor, daß er sich bemühen wolle, seine Freundschaftwieder zu erlangen.)*
{ed.-* Man kan hieraus schliessen, daß HamletAbsichten gegen den König gehabt habe; es war aber doch nichtsbestimmtes, kein Entwurf, wobey er sich seiner eignen Sicherheitund eines glüklichen Ausgangs hätte versichert halten können—Hamlet soll und will seinen Vater rächen—Dieser Wille beherrschtihn vom ersten Actus des Stüks bis zum Ende, ohne daß er jemalsselbst weiß, oder nur daran denkt wie er dabey zu Werke gehen wolle—Allein wir haben längst gesehen, daß die Anlegung der Fabel, dieVerwiklung und die Entwiklung derselben gerade die Stüke sind,worinn unser Poet schwerlich jemand unter sich hat. Indessengefällt doch dem Englischen Parterre kein Stük ihres Shakespearsmehr als dieses. Man sollte sagen, es simpathisiere mit ihnen.Der Humor des Hamlet (Denn das was ihn in dem ganzen Lauf des Stüksbeherrscht, ist viel weniger Leidenschaft als Laune,) diese kalte,raisonnirende oder richtiger zu reden, phantasirende Melancholie,die nur dann und wann in plözliche und eben so schnell wiedersinkende Wind-Stösse von Leidenschaft ausbricht, dieseGleichgültigkeit gegen sein eigens Leben, welche das grosseVorhaben der Rache, wovon seine Seele geschwellt ist, demungefehren Zufall überlaßt, und es nicht der Mühe werth hält einenPlan anzulegen oder Präcautionen zu nehmen, um nicht selbst in denFall seines Feindes verwikelt zu werden—Alles dieses sind Züge, worinn Engländer ihr eignes Bild zu sehr erkennen, um nicht weitstärker davon interessiert zu werden, als durch die idealischenCharakters und die starken soutenierten Leidenschaften der Heldendes Corneille. Shakespears Helden, zumal seine Lieblings- Helden,sind alle (Humoristen), und vermuthlich ist dieses eine Haupt-Ursache, warum ungeachtet Sprache, Sitten und Geschmak sich seitseiner Zeit so sehr verändert haben, dieser Autor doch für seineLandsleute immer neu bleibt, und etwas weit anzügelichers für siehat, als alle die neuern, welche nach französischen Modellengearbeitet haben.}
Vierte Scene.
(Oßrik des Königs Hofnarr, kommt dem Hamlet zu melden, der König
habe eine Wette mit Laertes angestellt, daß ihm Hamlet im Fechten
überlegen sey. Diese Scene ist mit der unübersezlichen Art von Wiz,
Wortspielen und Fopperey angefüllt, worinn unser Autor seine
damaligen Rivalen eben so weit als an Genie und an wahren
Schönheiten hinter sich ließ. Nach einem langen Ball-Spiel mit Wiz,
unter welchen einige Satyrische Züge gegen die gezwungene und)
precieuse(Hof-Sprache der damaligen Zeit mit einlauffen, fertigt
Hamlet den Narren mit der Antwort an den König ab, daß er auf der
Stelle bereit sey, den Wett-Kampf mit Laertes zu unternehmen. Bald
darauf tritt ein Herr vom Hofe auf, und kündigt an, daß der König,
die Königin, und der ganze Hof im Begriff seyen zu kommen und dem
Wett-Kampf beyzuwohnen. Er sezt hinzu: Die Königin ersuche den
Prinzen, vor Anfang des Gefechts sich eine Weile mit Laertes auf
einen freundschaftlichen Fuß zu unterhalten. Hamlet verspricht es
zu thun, und der Höfling geht ab.)
Horatio.
Ich besorge ihr verliehret die Wette Gnädiger Herr.
Hamlet. Ich glaub es nicht; ich bin, seit dem er nach Frankreich gieng, in beständiger Übung gewesen, ich halte mich des Siegs gewiß. Aber du kanst dir nicht vorstellen, wie übel mir allenthalben hier ums Herz ist—Allein das hat nichts zu bedeuten.
Horatio.
Ich denke nicht so, mein liebster Prinz.
Hamlet. Es ist nichts, blosse Kinderey; und doch wär es vielleicht genug, um ein Weibsbild unruhig zu machen.
Horatio. Wenn euch euer Herz eine geheime Warnung giebt, so folgt ihm. Ich will ihnen entgegen gehen, und sagen, ihr seyd izo nicht disponiert.
Hamlet. Nein, nein, ich halte nichts auf Ahnungen; die Vorsehung erstrekt sich bis über den Fall eines Sperlings. Ist es izt, so ist es nicht ein andermal; ist es nicht ein andermal, so ist es izt; und ist es nicht izt, so wird es ein andermal seyn—Alles kommt darauf an, daß man bereit sey.
Fünfte Scene.
(Der König, die Königin, Laertes und eine Anzahl Herren vom Hofe,
Oßrik und einige Bedienten mit Rappieren und Fecht-Handschuhen.
Ein Tisch und Flaschen mit Wein darauf.)
König.
Kommt, Hamlet, kommt, und nemmt diese Hand von mir.
(Er giebt ihm des Laertes Hand.)
Hamlet. Ich bitte um eure Vergebung, mein Herr, ich habe euch bleidiget; aber vergebet mirs und versichert mich dessen als ein Edelmann. Alle Gegenwärtigen wissen, und ihr müßt es gehört haben, mit was für einer unglüklichen Gemüths-Krankheit ich gestraft bin. Was ich gethan habe, das in euch Natur, Ehre und Rache gegen mich aufreizen möchte, hat, ich erklär' es hier öffentlich, meine Raserey gethan; Es war nicht Hamlet der euch beleidigte—Hamlet war nicht er selbst, da er es that, er verabscheut die That seiner Raserey; sie ist der Beleidiger, er auf der Seite der Beleidigten; seine Raserey ist des armen Hamlets Feind. Laßt also meine feyerliche Erklärung daß ich keinen Vorsaz hatte, übels zu thun, mich so fern in euern edelmüthigen Gedanken frey sprechen, als ob ich meinen Pfeil über ein Haus geschossen, und meinen Bruder verwundet hätte.
Laertes. Ich bin befriedigt, in so fern ich Sohn und Bruder bin, Namen, die in diesem Fall mich am meisten zur Rache auffordern; Aber als ein Edelmann, kan und will ich keine Versöhnung eingehen, bis ich von einigen ältern und bewährten Richtern dessen was die Ehre fodert, die Versicherung erhalten habe, daß ich es ohne meinen Namen zu entehren thun könne. Inzwischen nehme ich, bis dahin, eure angebotene Freundschaft als Freundschaft an, und will sie nicht mißbrauchen.
Hamlet. Ich bin zufrieden, und auf diesen Fuß bin ich bereit, diesen freundschaftlichen Wett-Kampf zuversichtlich zu bestehen. Gebt uns die Rappiere.
Laertes.
Kommt, eins für mich.
Hamlet.
Ich werde eure Folie seyn, Laertes; eure Kunst wird aus meiner
Unwissenheit desto feuriger hervorstralen, wie ein Stern aus der
Finsterniß der Nacht; in der That.
Laertes.
Ihr scherzet, mein Herr.
Hamlet.
Nein, bey dieser Hand.
König. Gebt ihnen Rappiere, Oßrik. Hamlet, ihr wisset, worauf ich gewettet habe?
Hamlet. Ich weiß es, Gnädigster Herr; Eure Majestät hat sich in Gefahr gesezt, zu verliehren.
König. Ich besorge nichts; ich habe euch beyde fechten gesehen, weil er aber indessen stärker worden ist, so haben wir das Gewette angestellt.
Laertes.
Dieses Rappier ist zu schwer, laßt mich ein anders sehen.
Hamlet.
Das meine ist mir ganz recht; diese Rappiere haben alle die rechte
Länge.
König. Füllt mir diese Dekel-Gläser mit Wein! Wenn Hamlet den ersten oder zweyten Stoß beybringt, oder bis zum dritten sogleich erwiedert, so laßt alle Canonen loßfeuren; der König wird auf Hamlets bessern Athem trinken, und in den Becher soll eine Perle geworfen werden, reicher als die kostbarste die jemals ein dänischer König in seiner Crone getragen hat. Gebt mir die Becher: Und laßt es die Kessel- Pauken den Trompeten kundmachen, die Trompeten den Canonieren draussen, die Canonen dem Himmel, die Himmel der Erde, daß der König auf Hamlets Gesundheit trinke—Komt, fangt an, und ihr Herren Richter, habt gute Acht.
Hamlet.
Kommt dann, mein Herr.
Laertes.
Wohlan, Gnädiger Herr—
(Sie fechten.)
Hamlet.
Einer—
Laertes.
Nein—
Hamlet.
Thut den Ausspruch—
Oßrik.
Ein Stoß, und das ein ziemlich fühlbarer.
Laertes.
Gut—Noch einmal—
König.
Haltet ein—zu trinken! Hamlet, diese Perle ist dein—Auf deine
Gesundheit!—Gebt ihm den Becher—
(Trompeten und Pauken und mit Salve von Geschüz.)
Hamlet.
Ich will diesen Gang erst ausfechten—Sezt ihn indessen hin—
(sie fechten)
—Wohlan—wieder einen Stoß—was sagt ihr?
Laertes.
Gestreift, gestreift, ich gesteh' es.
König.
Unser Sohn wird gewinnen.
Königin.
Er ist zu fett und von zu kurzem Athem. Hier Hamlet, nimm mein
Schnupftuch und wische dir die Stirne—Die Königin trinkt dirs zu,
Hamlet, auf dein gutes Glük! —
(Sie trinkt aus dem Becher, der für Hamlet bestimmt war.)
Hamlet.
Gütige Mutter—
König.
Gertrude trinkt nicht—
Königin.
Ich will, mein Herr; ich bitte euch um Vergebung.
König (vor sich.)
Es ist der vergiftete Becher; nun ist's zu spät—
Hamlet.
Ich darf noch nicht trinken, Gnädige Frau; eine kleine Geduld—
Königin.
Komm, laß mich dein Gesicht abwischen.
Laertes.
Diesesmal will ich ihm gewiß eins anbringen.
König.
Ich glaub es nicht.
Laertes (bey Seite.)
Und doch ist es fast gegen mein Gewissen.
Hamlet. Kommt, den dritten Gang, Laertes; ihr tändelt nur; ich bitte euch, gebraucht euch eurer äussersten Stärke; ich sorge ihr wollt mich nur zu sicher machen.
Laertes.
Sagt ihr das? Wohlan dann.
(Sie fechten.)
Oßrik.
Es hat noch keiner nichts—
Laertes.
Da habt es dann—
(Laertes verwundet Hamleten; hernach verwechseln sie in der Hize des Gefechts die Rappiere, und Hamlet verwundet den Laertes.)
König.
Trennet sie, sie gerathen in Hize.
Hamlet.
Nein, noch einmal—
Oßrik.
Seht zu der Königin hier, ho!
Horatio.
Sie bluten beyde—Wie geht's euch, Gnädigster Herr?
Oßrik.
Wie steht's um euch, Laertes?
Laertes. Wie eine Schneppe in meiner eignen Schlinge, Ossrik; billig sterb' ich durch das Werkzeug meiner schnöden Verrätherey.
Hamlet.
Was macht die Königin—
König.
Es ist nur eine Ohnmacht, weil sie Blut gesehen hat.
Königin. Nein, nein, der Trank, der Trank—O mein theurer Hamlet! der Trank, der Trank—Ich bin vergiftet—
(Die Königin stirbt.)
Hamlet.
O Abscheulichkeit! he! laßt die Thüren verrigelt werden:
Verrätherey! wer ist der Thäter—
Laertes. Hier ist er; Hamlet, du bist des Todes, kein Arzneymittel in der Welt kan dich retten. Du hast für keine halbe Stunde mehr Leben in dir, das verräthrische Werkzeug ist in deiner Hand, ohne Knopf und vergiftet; der schändliche Kunstgriff ist mein eignes Verderben worden. Sieh, hier lieg ich, um nicht mehr aufzustehen; deine Mutter ist vergiftet; ich kan nicht mehr—Der König, der König hat die Schuld.
Hamlet.
Und diß Rappier auch vergiftet? Nun, Gift, so thu was du kanst—
(Er ersticht den König.)
Alle.
Verrätherey! Verrätherey!
König.
O helft, meine Freunde, vertheidiget mich, ich bin nur verwundet—
Hamlet. Hier, du blutschändrischer, mördrischer, verdammter Dähne, trink diesen Becher aus—ist die Perle hier? Folge meiner Mutter—
(Der König stirbt.)
Laertes.
Er hat empfangen was er verdient hat. Er selbst mischete das Gift.
Laß uns einander verzeihen, edler Hamlet; mein und meines Vaters
Tod komme nicht über dich, noch deiner über mich!
(Er stirbt.)
Hamlet. Der Himmel mög' ihn dir nicht zurechnen! Ich bin des Todes, Horatio—Unglükliche Königin, Adieu!—Ihr, die ihr mit erblaßten Gesichtern umhersteht, und vor Entsezen über diesen Vorfall zittert; ihr, die ihr nur die stummen Personen oder die Zuhörer bey diesem Trauerspiel seyd—hätte ich nur Zeit—aber der Tod liegt zu hart auf mir—oh, ich könnte euch Dinge sagen—laß es seyn!—Horatio, ich sterbe; du lebst, dir überlaß ich meine Ehre und meine Rechtfertigung bey den Unberichteten.
Horatio. Das glaubt nicht, daß ich leben werde—Ich bin mehr ein alter Römer als ein Dähne—Hier ist noch von dem Trank übrig.
Hamlet. Wenn du ein Mann bist, so gieb mir den Becher; laß gehen; beym Himmel, ich will ihn haben. O mein redlicher Horatio, was für einen verwundeten Namen, werd' ich bey diesen Umständen hinter mir lassen! Wenn du mich jemals in deinem Herzen getragen hast, so verbanne dich selbst noch eine Weile von der Glükseligkeit, und schleppe dich noch so lange in dieser mühseligen Welt, bis du mein Andenken gerechtfertiget hast.
(Man hört einen Marsch und bald darauf ein Salve hinter der Scene.)
Was für ein kriegrisches Getöse ist das?
Sechste Scene.
(Oßrik tritt auf.)
Oßrik. Der junge Fortinbras, welcher siegreich von Pohlen zurük kommt, beehrt die Abgesandten von England mit diesem kriegerischen Gruß.
Hamlet. O ich sterbe, Horatio; die Stärke des Gifts überwältigt meinen Geist: Ich kan nicht so lange leben, die Nachrichten aus England zu hören. Aber ich sehe vorher, daß die Wahl auf Fortinbras fallen wird; er hat meine sterbende Stimme: Das sag ihm mit allen den Umständen, die diesen Ausgang—Es ist vorbey—
(Er stirbt.)
Horatio.
Nun bricht ein edles Herz; gute Nacht, liebster Prinz, und Engels-
Schwingen mögen dich zu deiner Ruhe tragen!—Wie, die Trummeln
kommen näher? (Fortinbras und die Englischen Gesandten, mit
Trummeln, Fahnen, und Gefolge treten auf.)
Fortinbras.
Was für ein Anblik ist das?
Horatio. Der kläglichste und ausserordentlichste, den eure Augen jemals sehen werden.
Fortinbras.
Vier fürstliche Leichen, todt und in ihrem Blut liegend—O stolzer
Tod, was für ein Gastmal giebst du in deiner höllischen Grotte, daß
du so viele Prinzen mit einem Streich geschlachtet hast.
Abgesandten. Der Anblik ist entsezlich, und unsre Commission aus England kommt zu späte. Die Ohren sind fühlloß, die uns Audienz geben sollten. Wir sollten ihm melden, daß sein Befehl an Rosenkranz und Güldenstern vollzogen worden: Von wem werden wir nun unsern Dank erhalten?
Horatio. Nicht von diesem Munde (des Königs), hätte er noch das Vermögen zu reden: Denn er gab niemals keinenBefehl daß sie sterben sollten. Allein, nachdem es sich nungefüget hat, daß ihr beyderseits so schiklich, ihr von demPolnischen Krieg und ihr von England, zu dieser blutigen Sceneangekommen seyd; so gebet Befehl, daß diese Leichen auf einemerhöheten Gerüste ausgesezt werden, damit ich der Welt, für welchealles noch ein Geheimniß ist, sagen könne, wie diese Dinge sichzugetragen haben. Ihr werdet dann von grausamen, blutigen undunnatürlichen Thaten hören, wie einige durch verrätherische Ränke,andre durch den blossen Zufall, und wie am Ende die mißlungenenAnschläge auf ihrer Erfinder eignen Kopf gefallen sind. Von allemdiesem kan ich umständliche und echte Nachricht geben.
Fortinbras.
Mich verlangt es zu hören—Die Anstalten sollen gemacht, und der
Adel zusammen beruffen werden. Was mich betrift so umarme ich mein
Glük mit traurigem Herzen; ich habe einiges Recht an dieses
Königreich, welches ich durch diese Zufälle nun geltend zu machen
veranlaßt bin.
Horatio. Auch hievon hab ich zu reden, und aus einem Munde, dessen Stimme manche andre nach sich ziehen wird: Aber lasset die Anstalten unverzüglich gemacht werden, izt, da die Gemüther noch bestürzt und unfähig sind Entwürfe zu machen, die zu neuen Verwirrungen Anlaß geben könnten. (Fortinbras giebt Befehl, daß Hamlets Leiche unter kriegerischer Musik, von vier Hauptmännern auf das Gerüste getragen werde—(Sie marschieren ab, und das Stük hört mit einem abermaligen Salve aus dem kleinen Geschüz auf.)